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Stellungnahme der Anwohner

Anwohner des Hinterthals und der angrenzenden Straßen

An den Magistrat der Stadt Herborn Hauptstraße 39 35745 Herborn

per Mail an info@herborn.de, Bürgermeisterin Fr. Gronau, Fraktionsvorsitzende der Herborner Stadtverordnetenversammlung

Herborn, 30. September 2021

Stellungnahme zum Entwurf zur 5. Änderung des Bebauungsplanes „Hinterthal“

Sehr geehrte Damen und Herren,

die von dem Bauvorhaben der Firma Helm im Hinterthal betroffene Nachbarschaft und Anwohner der angrenzenden Straßen nehmen zu der beabsichtigten 5. Änderung des Bebauungsplanes „Hinterthal“ wie folgt Stellung:

Wir sind der Auffassung, dass das Maß einer baulichen Nutzung des Grundstücks Flur 27, Flurstücke 8/1, 10/1 (tlw.), 11/1, 13/3, 13/11, 13/12, 151/3 und 222/9 13/7, mit insgesamt 13 Mehrfamilienhäusern und zwei Boardinghäusern mit vier bzw. fünf Vollgeschossen zzgl. einem Staffelgeschoss, in Summe ca. 220 Wohnungen, die bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zu beachtenden Grenzen überschreitet.

Bauvorhaben und diesen zu Grunde liegende Bebauungspläne müssen sich an den gesetzlichen Vorgaben des Baugesetzbuchs (§ 1) messen lassen. Danach sollen Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung unter Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Belange gewährleisten. Zu berücksichtigen ist insbesondere die Gestaltung des Ortsbildes. Die jeweilige Kommune hat es nicht in der Hand, vorhandene Bebauungspläne frei zu ändern, vielmehr sind der Planungshoheit gesetzliche Grenzen gesetzt. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Begriff einer „erdrückenden Wirkung“ entwickelt worden. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft im Sinne einer erdrückenden Wirkung wird angenommen, wenn ein Vorhaben durch sein Ausmaß, seine Baumasse oder seine massive Gestaltung Nachbargrundstücke in besonderer Weise unangemessen benachteiligt.

Hieraus leitet sich der Kernpunkt unserer Beanstandung ab. Die von der Firma Helm geplanten Gebäude mit vier bzw. fünf Vollgeschossen zzgl. jeweils einem Staffelgeschoss hätten unzweifelhaft für die Nachbarschaft eine derart erdrückende Wirkung, dass eine besonders unangemessene Benachteiligung der Nachbarschaft offensichtlich ist.

Der Bereich Hinterthal in Herborn hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich verändert. So findet eine gewerbliche Nutzung praktisch nicht mehr statt und das Hinterthal ist heute (abgesehen von der Tierarztpraxis) ein reines Wohngebiet mit weit überwiegend Einfamilienhäusern. Direkt angrenzend zum geplanten Bauvorhaben der Firma Helm sollen überdies drei Mehrfamilienhäuser der GBS entstehen. Für das GBS-Vorhaben wurde erst in diesem Jahr die 4. Änderung des Bebauungsplanes „Hinterthal“ verabschiedet. Betroffen von dieser Änderung ist das Grundstück Flur 27, Flurstück 13/7. Im Rahmen dieser Änderung wurde die Anzahl der Vollgeschosse für die geplanten GBS-Gebäude auf vier begrenzt und die maximale Gebäudehöhe auf 13m festgesetzt. Bereits die geplanten GBS-Gebäude übersteigen damit hinsichtlich der Vollgeschosse die überwiegende Bebauung im Hinterthal. Die von der Firma Helm geplanten Gebäude würden die für das GBS-Vorhaben maximal mögliche Gebäudehöhe aber noch einmal um mindestens bis zu 5m übersteigen (bei gleichzeitig noch deutlich dichterer Bebauung). Gemessen an den vorhandenen wie auch noch geplanten Gebäuden im Hinterthal ist damit festzustellen, dass das geplante Helm-Bauvorhaben unzweifelhaft mit einer angemessenen Gestaltung des Stadtbildes nicht mehr in Einklang zu bringen ist und für die Anwohner eine erdrückende Wirkung hätte.

Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Bebauung in der an den östlichen Bereich des Planungsgebietes angrenzenden Austraße. Von der Kreuzung am Amtsgericht bis zur Einmündung Hinterthal stehen in der Austraße beiderseits der Straße insgesamt 29 Häuser, davon 3 mit 2 Geschossen, 21 mit 2 ½ Geschossen (jeweils 2 Vollgeschossen und ausgebautem Dachgeschoss oder Mansardengeschoss), 4 mit 3 ½ Geschossen und 1 mit 5 Geschossen. Die Austraße wird damit ganz überwiegend von Häusern mit 2 ½ Geschossen (21 von 29) geprägt. Insbesondere die an der Ostseite des Plangebietes direkt angrenzenden Häuser weisen maximal zwei Vollgeschosse auf. Damit wird auch gemessen an den vorhandenen Gebäuden in der Austraße deutlich, dass die von der Firma Helm geplanten Gebäude mit vier bzw. fünf Vollgeschossen zzgl. Staffelgeschoss und insgesamt 220 Wohnungen unzweifelhaft eine erdrückende Wirkung hätten.

In der Begründung zum Entwurf für die Änderung des Bebauungsplanes „Hinterthal“ von dem Planungsbüro Koch wird auch kein tragfähiges und nachvollziehbares Argument für die geplanten Gebäudehöhen von 15m (vier Vollgeschosse + Staffelgeschoss) bzw. 18m (fünf Vollgeschosse + Staffelgeschosse) genannt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das geplante Vorhaben der Firma Helm keine Elemente eines sozialen Wohnungsbaus umfasst. Reine wirtschaftliche Interessen des Investors sind im Rahmen einer Abwägung nicht über bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zu beachtenden Grenzen zu stellen bzw. begründen nicht, die offensichtliche Beeinträchtigung des Ortsbildes.

Wir fordern daher, eine Anpassung des Bauvorhabens und damit verbunden der geplanten Änderungen am Bebauungsplan „Hinterthal“ dahingehend, dass eine Einfügung des Vorhabens in das Ortsbild sichergestellt wird. Unser Vorschlag für eine entsprechende Anpassung ist der Verzicht auf die geplanten Staffelgeschosse für die einzelnen Gebäude, d.h. für das Gebiet MU2 in der direkten Nachbarschaftsbebauung wird eine Gebäudehöhe von ca. 12m (bzw. vier Vollgeschosse ohne zusätzliches Staffelgeschoss) und für das Gebiet MU1 eine Gebäudehöhe von ca. 15m (bzw. fünf Vollgeschosse ohne zusätzliches Staffelgeschoss) festgesetzt. In der direkten Nachbarschaftsbebauung würden sich damit die geplanten Gebäude an der Gebäudehöhe der GBS-Häuser orientieren und diese nicht noch zusätzlich übersteigen. Neben der verbesserten Einfügung der Gebäude in das Ortsbild würde mit dem Verzicht auf die Staffelgeschosse auch die für die Begrünung und Errichtung von Solaranlagen, die auch wesentliche Forderungen der Stadt an das Vorhaben darstellen, verfügbare Dachfläche deutlich vergrößert und damit ihr Nutzungsgrad deutlich gesteigert.

Unabhängig von der Beeinträchtigung des Ortbildes durch das geplante Ausmaß der Bebauung sehen wir auch grundsätzliche Fragen hinsichtlich der Auswirkungen auf die bestehende Infrastruktur angesichts der hohen Zahl an geplanten Wohnungen und damit verbunden des möglichen Zuzugs von Bewohnern in das Stadtgebiet als nicht ausreichend geklärt an. Dies betrifft insbesondere offene Fragen hinsichtlich des Verkehrskonzeptes. Ein Thema ist hierbei die Regelung der Ein- und Ausfahrt für das geplante Parkhaus, welches auch schon im Bauausschuss diskutiert wurde. Daneben sehen wir auch die zusätzliche Verkehrsbelastung für die Austraße noch nicht hinreichend gewürdigt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass neben dem zusätzlichen Verkehrsaufkommen durch das Helm-Bauvorhaben auch die geplanten 60 GBS-Wohnungen zu einer weiteren Belastung für die Austraße führen werden. Für die Beschlussfassung zur 5. Änderung des Bebauungsplans sehen wir ein neues Verkehrsgutachten als erforderlich an. Als Grundlage sind Verkehrszählungen an mehreren Wochentagen sowohl in der Westerwaldstraße als auch der Austraße durchzuführen. Diese müssen an Schultagen und mindesten an einem Freitag erfolgen, um die durch den Wochenmarkt verursachten Verkehrsbelastungen zu berücksichtigen.

Ferner würden wir es begrüßen, wenn die gestellten Anforderungen hinsichtlich der Installation von Solaranlagen auf den Dachflächen der geplanten Gebäude, die Errichtung von Spielgerä- 3

ten auf dem Gelände sowie die Begrünung des Geländes konkreter vorgegeben und verbindlich geregelt werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die genannten Maßnahmen als wesentliche Forderungen der Stadt für die Zustimmung zum geplanten Bauvorhaben genannt wurden. Gemäß dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Bebauungsplanes wird lediglich die Installation von Solaranlagen und die Errichtung von Spielgeräten (für unterschiedliche Altersgruppen) gefordert, Art und Umfang liegen aber demnach allein im Ermessen der Firma Helm. Hier ist zu befürchten, dass die Umsetzung der Anforderungen nach dem Minimalprinzip erfolgen und die Interessen der Stadt nicht ausreichend befriedigt werden. Hinsichtlich der Begrünung schlagen wir vor, die Vorgaben dahingehend zu erweitern, dass eine Art Grüngürtel durch Baumbepflanzung um das Gelände bzw. insbesondere zur nachbarschaftlichen Bebauung angelegt wird, um so eine optische Aufwertung für das Gelände zu erreichen und damit auch eine verbesserte Einfügung in das Ortsbild. Aus unserer Sicht sollte vor Beschlussfassung über die Änderung des Bebauungsplanes ein städtebaulicher Vertrag mit der Firma Helm geschlossen werden, in dem genaue Regelungen hinsichtlich der Umsetzung der im Bebauungsplan genannten Anforderungen festgehalten werden.

Abschließend möchten wir auf § 1 Abs. 7 BauGB verweisen, der besagt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Entsprechende Abwägung sehen wir bei dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Bebauungsplanes „Hinterthal“ als nicht ausreichend gegeben an und fordern daher Anpassungen unter Berücksichtigung der von uns aufgeführten Punkte.

Für einen weiteren Dialog stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Bertolt Dintelmann und weitere 19 Anwohner

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